Therapie

Die Therapie der Fahreignung  variiert stark in Abhängigkeit der bestehenden Problematik.

Grundstein für eine Fahreignungs-Therapie sind eine umfassende Diagnostik der fahrrelevanten kognitiven Leistungsfähigkeit oder eine praktische Fahrverhaltensprobe.

Eine Therapie setzt an der Verbesserung der zugrunde liegenden Funktionseinschränkungen des konkreten Fahrverhaltens an. Das Therapieziel muss nicht immer die uneingeschränkte Fahreignung darstellen, realistisch könnte auch die Fahreignung unter Auflagen und Beschränkung sein. In der Therapie wird auch ausgelotet welche Fahraufgaben realistisch sind.

Eine wichtige Voraussetzung für eine Therapie der Fahreignung sind ein verantwortliches Verhalten sowie eine angemessene Selbstwahrnehmung der Schwächen. Um persönlichen Fahreignungsmängel mit entsprechenden Strategien ausgleichen zu können, sollte der Patient in der Lage sein und gewillt, kritische Verkehrssituationen zu erkennen.

Folgende Therapieziele lassen sich unterscheiden:

  • Funktionstraining der fahr- verkehrsrelevanten Leistungsvermögens
  • Aufbau einer der Realität angemessene Selbstwahrnehmung der eigenen Fahrfähigkeiten beim Betroffenen.
  • Erarbeitung von Kompensationsmöglichkeiten für fahreignungsausschließende Mängel
  • Therapeutische Begleitung des Betroffenen und der Angehörigen im Entscheidungsprozess um die Fahreignung.

Als Abschluss therapeutischer Maßnahmen wird eine praktische Fahrverhaltensprobe zur Überprüfung des Trainingserfolges durchgeführt.

Kompensation

Eine besondere Bedeutung im Therapieprozess kommt der strategischen und der taktischen Ebene des Autofahrens (Kompensation) zu. Störungsspezifische Strategien zur Kompensation berücksichtigen dabei immer die Fahraufgaben (wann will ich wohin fahren) und mögliche Gefahrenquellen. Kompensation bedeutet, dass Eignungsmängel behoben oder ausgeglichen werden können.

Kompensationsmöglichkeiten können in 3 Prozessebenen untergliedert werden (SOK-Model):

  • Selektionsprozesse (z.B. Vermeidung von Nacht-, Stadt- bzw. Autobahnfahrten oder generelle Reduktion der Kilometerleistung, Verzicht auf Überholmanöver)
  • Optimierungsprozesse (z.B. besuch von Trainings, Anschaffung eines Automatikautos, Verschaffung von Ortskenntnissen vor Fahrtantritt, Verwendung einer Brille od. eines Hörgerätes, Heranziehung eines Einweisers)
  • Kompensationsprozesse (z.B. Reduktion der Geschwindigkeit, Erhöhung der Sicherheitsabstände)

Nachfolgend selektive Leistungsdefizite und entsprechende Strategien:

  • reduzierter Belastbarkeit > Routenplanung mit eingeplanten Pausen
  • Ablenkbarkeit > nicht Radio hören, auf Gespräche verzichten
  • Gedächtnisprobleme > Navigationssystem anschaffen
  • reduzierte Wahrnehmungsschnelligkeit > nicht im Berufsverkehr fahren
  • eingeschränktes Dämmerungssehen > keine Nachfahrten
  • Verlangsamte Informationsverarbeitung > langsamere Fahrweise, Abstand vergrößern

Als personales Kompensationspotential kann eine vorausschauende Fahrweise, geringe Risikobereitschaft, Verantwortungsbewusstsein, Umsicht und Gewissenhaftigkeit sowie Krankheitseinsicht genannt werden.

Als Voraussetzungen und Ressourcen für die Erreichung eins Kompensationsverhaltens sind eine ausreichende intellektuelle Leistungsfähigkeit und normgerechte körperliche, insbesondere sinnesphysiologische Funktionen (Sehvermögen).

Kompensationsmöglichkeiten bei Eignungsmängeln werden auch durch den Gesetzgeber reguliert. So kann die Eignung zum Lenken eines Kfz von Auflagen und Beschränkungen abhängig gemacht werden (z.B. Automatikfahrzeug, technische Zusatzeinrichtungen am Fahrzeug, Umkreis-/Tageszeitbeschränkungen, Geschwindigkeitsbeschränkungen, Nachuntersuchungen), die als sog. Zahlencodes in den Führerschein dann eingetragen werden. Nur unter diesen Bedingungen („bedingte Eignung) ist das Lenken eines (bestimmten) Kfz dann erlaubt.

Neuropsychologische Funktionstherapie

Neuropsychologisches Funktionstraining wird bei kognitiven Defiziten eingesetzt, um diese soweit zu verbessern, dass die Fahreignung nicht mehr eingeschränkt ist. Ein Training der Wahrnehmungs- und Aufmerksamkeitsfunktionen stehen im Vordergrund. Die Therapie erfolgt mit spezifischen, überwiegend computerbasierten Programmen, welche konkrete Teilbereiche des Autofahrens (bspw. Reaktionsvermögen, Belastbarkeit) trainieren.

Die Wirksamkeit für einen langen Zeitraum nach einer Schädigung ist jedoch nicht mehr belegt, da besonders im Aufmerksamkeitsbereich nicht mehr von großen Verbesserungen ausgegangen werden kann.

Ein eigenständiges Nützen von Trainingsprogrammen durch die Patienten selbst ist oft nicht zweckmäßig, da dieses Eigentraining zuhause oft unspezifisch durchgeführt wird (Trainingsschwerpunkte werden falsch gesetzt, der Schwierigkeitsgrad ist zu hoch bzw. nieder)

Fahrtraining

Ein praktisches Fahrtraining kann mit Schulfahrzeugen (z.B. der Fahrschule) oder computergestützt am Fahrsimulator durchgeführt werden. Die Trainingsschwerpunkte werden von der Fahrverhaltensprobe oder aus der Befundlage der Diagnostik abgeleitet und an den beabsichtigten Fahraufgaben des Einzelnen ausgerichtet. Ein Fahrtraining mit Schulfahrzeug ist bei rechtlichen Einschränkungen (Gesichtsfeldeinschränkungen) nicht angezeigt oder wenn der Patient ein allzu großes Verkehrssicherheitsrisiko darstellt.

In Abhängigkeit vom Störungsbild können auch spezifische Probleme (Überblicksgewinnung an Kreuzungen) oder einzelne Komponenten des Fahrens getrennt trainiert werden (z.B. Spurhalten). Praktisches Fahrtraining schult die Patienten, Hinweisreize für kritische Situationen zu entdecken, das risikoreduzierende taktische Verhalten wird verstärkt.

Nachfolgend spezifische Schwerpunkte eines Trainings:

  • Wiederholen von kritischen Fahrsituationen (Kreisverkehr)
  • Reagieren auf Gefahrensituationen
  • Alltagssituation (Parken, Tanken)
  • Fahren mit Zusatzaufgaben (mit laufendem Radio, Gesprächen)
  • Anpassung des Fahrverhaltens an das jetzige Leistungsniveau
  • Training der Zurückhaltung von Impulsen

Für den Umfang der einzelnen Fahrtrainings gibt es keine einheitlichen Richtwerte. Werden keine Fortschritte mehr erreicht, ist die Beendigung des Fahrtrainings geboten.

Ein praktisches Fahrtraining (mit eigenem Kfz) sollte immer dann durchgeführt werden, wenn technische Umbauten aufgrund Bewegungsbehinderungen vorgenommen worden sind. Denn dann müssen hoch automatisierte Bewegungsabläufe verlernt und neue (motorische) Bewegungsabläufe erlernt werden um diese sicher auch in Stresssituationen abrufen bzw. ausführen zu können. Für dieses Neulernen ist eine erhaltene (motorische) Lernfähigkeit Voraussetzung.

Computerunterstützes Fahrtraining am Fahrsimulator

Wir setzten zur Therapie der Fahreignung auch pc-gestützte Fahrsimulatoren ein. Diese bieten schon früh im Rehaprozess die Möglichkeit, die Fahreignung unter gesicherten und realitätsnahen Bedingungen zu trainieren und werden von den Patienten gerne angenommen.

Die Trainingsinhalte können sehr individuell gestaltet und kritische Verkehrssituationen beliebig oft wiederholt werden (z.B. Spurwechsel bei dichtem Verkehr oder die Auffahrt auf die Autobahn).

Einschränkungen gibt es bei der Übertragbarkeit der Ergebnisse auf den realen Straßenverkehr, sodass Trainingsfortschritte über Fahrverhaltensproben bewertet werden sollten.